BUCHBESPECHUNG zu „Philosophie des Zen-Buddhismus“ von Toshihiko Izutsu

Das Buch „Philosophie des Zen-Buddhismus“ von Toshihiko
Izutsu ist 1986 in „rowohlts enzyklopädie“ erschienen. Izutsu war Religions-,
Sprachphilosophie- und Literaturwissenschaftler an der Universität in Tokyo.
Das Buch ist aus dem Englischen übersetzt.



Izutsu versucht in dem Buch, was er auch schon im Vorwort unterstreicht, eine Philosophie des Zen-Buddhismus zu erläutern, welcher sich, alle mit Zen vertrauten Menschen werden das verstehen, als un- bzw. sogar antiphilosophisch versteht und in all seinen Äußerungen eine starke Abneigung gegen Begrifflichkeit, methodisches, rationalistisches Vorgehen und Verbalisierungen erkennen lässt. Trotzdem versucht Izutsu eine Beschreibung der Zen-Wirklichkeit, die sowohl das Menschenbild einschließt, seine Subjekt-Objekt-Beziehung bis zur Feldstruktur streift und die Artikulationsweise zu erklären sucht, mit der Zen-Geschichten, Koans und Mondos auch heute noch dargestellt werden.

Das Buch ist an manchen Stellen schwierig zu lesen. Es vermittelt in einer gestuft und aufbauend gegliederte Struktur das Denken und die Weltsicht des Zen, ohne in rechthaberischer Weise durchscheinen zu lassen, alles, was Zen ausmacht, auch vollkommen verstanden zu haben. Vielmehr gleicht der Text einer Schüssel mit heißem Futter, um das der Leser wie eine Katze herumschleicht, erahnend, was da so alles in der Schüssel zu entdecken sein könnte. Trotzdem fand ich diesen Versuch hilfreich, denn ohne solche Hilfsmittel, ohne diese Krücken und Halbwahrheiten sozusagen, ist das Studium der Zen-Literatur aus Büchern meiner Ansicht nach ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.

Die Arbeit beginnt mit einer Untersuchung der
Subjekt-Objekt-Beziehung, die sich im westlichen Verständnis ganz anders
versteht als dies die Zen-Geschichten beschreiben. Dazu beginnt der Autor mit
der aristotelischen Fragestellung, die sich in „Wer ist der Mensch?“
kristallisiert, während Zen ganz anders fragt: “Wer bin ich?“ Der Mensch als
fragendes Subjekt findet sich im Zen anders als in der westlichen Philosophie
inmitten der Dinge wieder und ist Teil der Fragestellung, nicht ausschließlich
Beobachter ohne Teilhabe. Die Untersuchung gipfelt in der Beschreibung der
„Feldstruktur der letzten Wirklichkeit“ des Zen. Das verwendete Werkzeug
hierfür, das die Nicht-Sprache des Zen in Sprache übersetzt, ist die
Unterscheidung in zwei Perspektiven, einer ersten Perspektive , die der
Wahrnehmung der absoluten Wirklichkeit entspricht (die also eine Erleuchtungserfahrung
sozusagen voraussetzt), und einer zweiten Sichtweise, die die alltägliche
diskriminierend geformte Erfahrung beschreibt. In wissenschaftlicher Sprache
beschreibt der Text die alltäglich Sichtweise als „Ich sehe dies“, während Zen
in seiner Verwirklichung nur „sehen“ gelten lässt, das sich in der Artikulation
aber wieder in ein Objektsehen übersetzt, ohne das gesehene Objekt sozusagen
festzulegen. Objekte und Subjekte entstehen im Feld der Wirklichkeit (Leere)
und vergehen in demselben ohne Grund oder Sinn.

Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit Sinn und Unsinn im
Zen-Buddhismus, fragt, was bedeutungsvoll und bedeutungslos ist und versucht,
die typische Zen-Artikulation in einer sprach- philosophischen Weise
(semantischen Artikulation) zu beleuchten. Ein schönes Beispiel dafür ist das
Ein-Finger-Koan von Gu Tei aus dem 9. Jahrhundert. Der abgeschnittene Finger
wird heute keine Euphorie mehr auslösen und wird auch nicht so praktiziert
werden können, aber als theoretisches Beispiel erklärt er in sehr treffender
Weise die aus heutiger rationaler Sicht unsinnigen Lehrmethode des Zen.

In weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob aus
der Artikulationsweise sich ein philosophisches Grundgerüst des Zen abbilden
lässt. Die Frage bleibt im Grunde unbeantwortet, jedoch bleibt der Autor bei
seiner Überzeugung, das ebenso philosophische wie auch religiöse Momente im Zen
erkennbar sind und daher durchaus als solches gelten können. Für ihn bleibt Zen
ein philosophisches und religiöses System und kann daher auch so beschrieben
werden. Allerdings räumt er auch ein, das sich die Thematik als äußerst schwer
und undurchdringlich gestaltet.



Im Kapitel „Denken und Nicht-Denken durch das Koan“ werden
die zwei Traditionen des Zen, Soto- und Rinzai-Zen unter die Lupe genommen und
die Unterschiede der beiden erarbeitet. Seiner Ansicht nach arbeitet Soto-Zen
fast ausschließlich mit Zazen als Mittel der Schulung, die schrittweise und
geführt zum Satori führt, während Rinzai überwiegend mit dem Koan im Zazen und in
einem plötzlichen Geschehen zur Einsicht zu gelangen sucht. Hierbei wird das
Koan in einer für den Laien verständlichen Struktur dargestellt. Diese ist aber
immer noch kompliziert und schwer zu realisieren.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Ausschließung
der Farbe in fernöstlicher Kunst und Philosophie und wie dies die Zen-Motive
direkt berührt. Es ist eine interessante kunsthistorische Beschreibung, die
aber mit Zazen oder Zen-Meditation nur geringe Berührungspunkte (Ausdruck)
zeitigt.

Stein am Strand (HpS)

Alles in Allem, und ich habe das Buch jetzt dreimal gelesen,
ist Werk eine sehr interessante Beschreibung des Zen und seiner
Artikulationsweise, die es dem Laien ermöglicht, sich mit Zen-Literatur zu
beschäftigen, ohne gleich in Konfusion und Ablehnung zu verfallen, weil die
Texte ohne das nötige Hintergrundwissen einfach nicht zu verstehen sind. Es ist
ein Buch für einen hartnäckigen, geduldigen und ausdauernden Lesecharakter, ist
keine lockere und leicht zu lesende Lektüre. In der Regel erzwingt jedes
Unter-Kapitel, das gelesen wurde, 
bereits nach wenigen Seiten eine Denkpause. Ich habe für die drei
Durchgänge ein halbes Jahr gebraucht, und nicht jede Stimmung war zum Studium
darin geeignet. Es sind 150 Seiten voller Informationen, in wissenschaftlicher
rationaler Sprache geschrieben, und es lohnt sich, sich diese Inhalte zu
erarbeiten. Es hat in mir viele Fragen erneut aufgeworfen, die ich als
abgeschlossen betrachtete, andere spezifiziert, weitere in ihrer Unsinnigkeit
entlarvt und abgeschlossen. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich mit Zen
beschäftigt.

Mit leeren Händen halte ich ein Schwert,
ich laufe zu Fuß, aber auf dem Rücken eines Ochsen reite ich.
Während ich über die Brücke Lo komme,
fließt das Wasser nicht, es ist die Brücke, die fließt.

Erst nach der Durcharbeitung des beschriebenen Buches habe ich diese Zeilen erstmals, zumindest glaube ich das jetzt noch unvorsichtigerweise, ansatzweise verstanden!