Die lebenswerte Angst…

Der Sinn des Lebens erschließt sich uns nicht. Wir leben. Wir leben sogar überwiegend gerne. Anders ist nicht zu erklären, warum nahezu alle Menschen sehr an ihrem Leben hängen und große Anstrengungen unternehmen, es möglichst lange fortzusetzen. Während viele Menschen ihren Tag damit verbringen, heute etwas zu essen zur Verfügung zu haben, verbringen andere ihre Zeit damit, Reichtümer anzuhäufen in einer Menge, die sie selbst gar nicht aufbrauchen können, selbst wenn sie sich sehr viel Mühe geben würden. Und zwischen diesen Extremen (schwarz – weiß) gibt es jede mögliche Stufe in grau. Aber der Reiche hortet ja nicht nur aus Angst ums tägliche Essen, das würde wohl jeder verstehen, sondern um sich aus der Menge der Lebewesen herauszuheben, um… ja, warum eigentlich? Warum ist das Rampenlicht eigentlich attraktiver als die heimeliche Küche, warum schmeckt Kaviar eigentlich besser als Kartoffelsuppe, warum wird schlank und jung mit hübsch und gesund und dick und alt als hässlich und/oder krank angesehen? Ist das glatte unverbrauchte Gesicht wirklich schöner als das vom Leben gezeichnete Faltige. Und warum ist großer Erfolg, also der scheinbar betörende Beifall anderer, besser als das Leben in bescheidenem und wenig beachteten Rahmen?

Soweit mir bekannt ist der Mensch das einzige Lebewesen auf dieser Erde, das im Übermaß hortet. Außer dem Anlegen von Vorräten für den Winter und wenige als Werkzeug taugliche Stücke sammelt kein mir bekanntes Tier irgendetwas. Sie alle kommen in der Regel mit dem aus, was das natürliche Umfeld ihnen bietet, mehr noch, sie bringen mit Lebewesen anderer Art eine Art Gleichgewichtszustand hervor, die alle Arten begünstigt und fördert. Natürlich gibt es das Revier, dass manches Tier gegenüber Artgenossen verteidigt, es gibt Rudel- und Gruppenverhalten, was nicht immer einfach zu verstehen und noch weniger einfach zu leben sein würde, aber das hält sich doch noch in überschaubaren Grenzen auf. Also wäre schon mal doch die Frage zu klären, was die Menschen veranlasst, sich derart ängstlich und überbordend mit Unmengen Lebensraum und anderen Ressourcen zu versorgen und dabei auf die bekannte rücksichtslose Art vorzugehen, die, seien wir ehrlich, irgendwann auch der eigenen Art zum Verhängnis zu werden droht.

Nehmen wir einmal an, dass die Angst davor, das Leben in der gewünschten Form nicht meistern zu können, die treibende Kraft ist für das Horten, für viele Verhaltensformen innerhalb der eigenen Art als auch der Lebenswelt als Ganzes gegenüber, und das diese Angst eine einzigartige Erscheinung ist, die nur dem Menschen eigen ist. Wodurch also wird diese Angst hervorgerufen? Worauf gründet sich diese Angst? Und natürlich: Wie können wir diese Angst ausräumen, beseitigen und Frieden finden? Nehmen wir als Beispiel den Hunger. Ein Löwe jagt, wenn er Hunger verspürt, frisst und geht friedlich seiner Wege, solange die Sättigung anhält. Selbst ein Zebra hat vor einem satten Löwen keine Angst. Wir kennen das Bild: Schlafende Löwen in der Nähe einer Zebraherde, das Raubtier sozusagen von Futter umgeben. Könnte ein Mensch ebenso handeln? Was den Menschen von den Löwen unterscheidet ist die Fähigkeit, aus der Erinnerung heraus Strategien abzuleiten, die den Hunger von morgen schon heute zu vermeiden sucht. Es ist die Angst, erneut Hunger erleben zu müssen, die Menschen schon heute handeln lässt für morgen, und übermorgen und sogar für schlechte Zeiten in weiter Ferne, die vielleicht nie erscheinen werden oder sich sogar ganz anders ausdrücken können.

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