Nun haben findige Menschen dieses Problem schon früh erkannt und eine Beständigkeit, nein, nicht gefunden, sondern erschaffen. Wir nennen das gerne Seele, Atman oder Selbst. Beständige, oder ewige 1 Anteile aber müssen immer, um überhaupt beständig sein zu können, auf Alles sich beziehen, auf die Summe aller Dinge 2 oder aber, und das ist ein wunderbarer Griff, auf etwas, das jenseits von Allem steht. Wir nennen das dann gerne Gott, Himmel oder auch Paradies. Und der Weg dahin für alle, die eine Beständigkeit anstreben, heißt Aufbruch zur Transzendenz 3. Da so etwas wie definiert außerhalb der Erfahrung legt, also nicht betrachtet, begriffen oder erfahren werden kann, ist das wiederum als eine Setzung anzusehen. Also auf die Setzung eines ewigen Anteils meiner selbst erfolgt zwangsläufig noch eine zweite Setzung, die des Jenseitigen. Allerdings kann die Summe aller Dinge auch immanent gedacht werden, dann wäre als zweite Setzung die Welt als Ganzes und meine Seele hat einen Anteil oder ist ein Anteil an dieser.
Seit nahezu 2500 Jahren beschäftigen wir uns nun mit dieser zweiten Setzung und seinen Feinheiten. Was allerdings wäre, wenn schon die erste Setzung, die einer am Ewigen Anteil- habenden Seele nicht zuträfe? Alle Weltanschauungen und alle Religionen sehen diese erste Setzung als gegeben an. Sie ist die Bedingung für das, was wir Sein nennen. Alle Menschen wollen sein, wollen Anteil haben an der „materia prima“, dem auf ewig Beständigen. Wenn dem aber nicht so ist, was zu beweisen ebenso schwer wäre wie sein Gegenteil, verlöre jedes menschliche Leben seinen Sinn. Es wäre ohne Ziel, ohne Trost. Nun sind wir Menschen ja nicht allein auf der Welt, die wir bewohnen. Nahezu alle anderen Lebewesen, und deren Anzahl ist ein Vielfaches höher als die der Menschheit, scheinen das Fehlen von Sinn und Trost eigentlich nicht groß zu stören. Sie leben ihr Leben, werden geboren und sterben, ohne je nach Sinn und Beständigkeit gefragt zu haben. Ist also die Frage nach dem Sinn schon falsch? Sind wir Menschen tatsächlich deshalb die Krone des Lebens, nur weil wir nach einem Sinn fragen können? Und sind die Antworten, die wir uns beständig neu geben, nicht auch die Basis der beständigen Angst, mit der wir leben? Müssen wir uns also als in Traumwelten gefangene Wesen betrachten, die ihre eigene Gefangenschaft sogar noch selbst organisieren? Leben wir so gesehen innerhalb von Zivilisationen fernab von jeglicher Realität. Wie müsste dann ein anderes Denken aussehen, mit dem wir ohne diese Wendungen zurecht kämen? Und was wäre dann wohl Realität? Hmmm. Ich habe keine Antworten, aber sehr viele Fragen.
Schauen wir daher doch einmal auf das Thema aus einer anderen Perspektive. Was machen Menschen eigentlich, wenn sie all ihre Träume und Wünsche erfüllt sehen. Sie besitzen ein wundervolles Haus auf einer Insel inmitten eines Sees oder Meeres, haben nur bestes Essen und Trinken und besitzen alle Mittel, um nahezu jede Idee einer Beschäftigung umzusetzen. Sie müssen weder einer Tätigkeit nachgehen noch sich um Dinge sorgen, sind von Ihresgleichen umgeben und leben so ungestört ihren Traum. Also was machen diese Menschen? Sie essen, trinken und vermehren sich, und sie gehen sinnfreien Beschäftigungen und Ideen nach. „Nun…“, würden dann die bereits erwähnten nicht-menschlichen Bewohner dieser Welt zu uns sagen, „das hättet ihr aber auch sehr viel einfacher haben können. Dazu hätte man auf der Welt nicht zerstören, hätte man weder ackern noch morden müssen. Dazu hätte man alles nur so lassen müssen wie es ursprünglich schon war.“
Wenn das Leben seinen Gang geht heißt das immer, das alles wohl schon geplant und vorgefertigt ist. Da gibt es keine Überraschungen mehr, keine unerwarteten Ereignisse, keine ungeplanten Begegnungen und keine Aufregungen mehr. Alles geht sicher und ohne Verzögerungen seinen gewohnten Gang. Wie geplant eben. Es gibt keinen Anlass zu Vorsicht, keine Offenheit ist notwendig und auch keine Freiheit mehr. Denn Freiheit ist die Möglichkeit, sich heute so und morgen so, heute gar nicht und morgen ganz anders zu entscheiden zu können und spontan und der aktuellen Neigung nachgebend zu handeln. Wenn dazu Wandlung notwendig ist, dann wandeln wir, wenn nicht, nicht. Es ist ganz einfach. Dazu ist weder ein Sein notwendig noch ein Ziel, weder brauchen wir dazu geprüfte Sicherheit noch Worte der Hoffnung. Es genügt, ein Leben zu leben, darin beständig zu lernen, zu agieren oder zu reagieren. Dazu gehört auch, beständig aufmerksam zu sein, sich der vielfältigen Täuschungen bewusst zu sein und auch Ent-Täuschungen zuzulassen. Diese sind, wie das Wort schon sagt, gar nicht schlecht. Sie befreien uns von Täuschungen. Wollen wir das nicht alle? Hmmm, ich bin skeptisch, ob die Antwort darauf wirklich so einfach ist.