Taoismus – Einblick in eine für Europa fremde Denkweise

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit dem Taoismus, einer alten philosophisch-weltanschaulichen Kulturform, die im antiken China ihre Hochzeit fand. Das Daodejing, das Yijing und der Zhuangzi sind die Bücher und Schriften des antiken Chinas, die in meiner Anschauung die Hohe Kunst der Weisheit auch für die heutige Zeit verfügbar machen könnten.

Nun könnte der Leser fragen: Warum gerade der Taoismus? Ja, und die Antwort darauf ist in meiner Vorstellung sehr einfach. Trotzdem muss ich dazu ein wenig ausholen, muss ich sozusagen am Anfang meiner Denkreise anfangen. Wir alle in Europa 1 kennen unsere Arten zu Denken, unsere Logik und unsere Sprachen und sind in der Lage, diese unterschiedlichen Formen innerhalb der Sprachfamilien zu übersetzen und anzuwenden. Das geht ziemlich problemlos, sind doch die großen Kulturen der Welt bis auf wenige Ausnahmen heute auf der indo-europäischen Tradition aufgebaut. Das beinhaltet unsere logischen Grundannahmen 2 und anderer Setzungen, die größtenteils auf den Grundlagen indischer und griechischer Philosophie-Systemen beruhen. Besonders Aristoteles sei hier genannt, der große Teile des europäischen Logiksystems geschaffen hat. Diese Denkweise hat sich heute in der ganzen Welt durchgesetzt und ist sozusagen Welt-Standard. Nun ist es sehr schwer, sich ein System anzuschauen, wenn es dazu keine Alternativen gibt, wenn erstens der Schauende Teil des Systems ist, und wenn zweitens sozusagen kein offener Blick von einem äußeren Standort aus möglich ist. Doch vor nicht allzu langer Zeit wurde mir durch die Entdeckung der Schriften zum antiken China von Francois Jullien die Möglichkeit eröffnet, durch eine Alternative auf das Geschehen zu schauen. Und über Jullien dann konnte ich mir weitere Quellen erschließen, die mir die Thematik weiter öffneten. In Anhang zur Einleitung verweise ich daher auch auf weiterführende Bücher und Schriften. Was ich mit meinem Schreiben erreichen möchte ist nicht mit einer wissenschaftlichen oder vergleichend-theologischen Arbeit zu vergleichen. Ich möchte lediglich neugierig machen, neugierig darauf, sich ein anderes logisches System anzuschauen und somit das eigene mit anderen Augen sehen zu können. Keine Ausarbeitung, keine Beschreibung und keine Auszüge können das Lesen eines Zuangzi ersetzen, können das Arbeiten mit dem I Ging ersparen oder gar eine wissens-technische Zusammenfassung des Tao Te King liefern. Es sind die Durchscheinungen zwischen den Zeilen, es sind sich öffnende, ja was eigentlich, Erfahrungen (trifft es nicht wirklich), Wahrnehmungen (dto.) während des Studiums, die diese Werke der Weisheit so wertvoll machen. Darin wird nicht Wissen vermittelt, werden keine Regeln geschaffen, nach denen man sich richten könnte, werden weder Rezepte noch Konzepte konstruiert, sondern sie sprechen den Menschen direkt in seinem Wesen, in Europa würden wir wohl „Seele“ sagen, an.

  1. Auch Amerika, Australien, und der indische Subkontinent gehören mehr oder weniger dazu.
  2. Kausalität, Widerspruchsfreiheit, Ereignishorizont
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