Was ist der Mensch? Was bin ich?

Ich möchte angesichts der Überschrift einmal höchst pessimistisch beginnen und die Frage stellen, ob sich diese beiden Fragen, die aufeinander aufbauen, überhaupt wahr und „richtig“ beantworten lassen. Viele wissen aus ihrer Beschäftigung mit Meditationstraditionen wie Yoga und Zen, das die Frage „Wer bin ich?“ als einer der wirksamsten Schlüssel zur Bewusstseinsentwicklung gilt.

Wer allerdings in den Schriften dieser Traditionen nach einer Antwort sucht, die einer persönlichen Überprüfung standhält, wird wenig Erfolg haben. Nahezu alle Autoren dieser Richtung geben keinerlei Antwort, sondern das Gegenteil scheint häufiger anzutreffen zu sein: Man kommt mit ein oder zwei Fragen in das Gespräch mit dem Meister, Leiter oder Lehrer und geht mit fünf oder sechs offenen Fragen zurück zu seiner Meditation. Und sehr sehr oft ist man nach dem Gespräch verwirrter als zuvor. Warum ist das so? Die Traditionen schreiben dazu, das man als Lehrer keine Erfahrungen vermitteln kann, sondern höchstens seine eigene Erfahrung darlegen oder zugrunde legen kann. Eine Erfahrung lässt sich somit nicht weitertragen, sondern muss höchstpersönlich selbst gemacht werden. Weil Lehrer das wissen, versuchen sie es erst gar nicht, zu der einen ganz bestimmten Erfahrung hinzuführen, sondern versuchen eher, die Hindernisse zu beseitigen, die eine Erfahrung im Allgemeinen unmöglich machen. Das geschieht, in dem sie die Konzepte, Vorstellungen, Verwicklungen, Wünsche, Ängste, Bedürfnisse und so weiter der Fragenden ad absurdum führen und somit Platz schaffen für neue, fördernde und heilsame Gedanken. Um mit anderen Worten zu Erfahrungen zu gelangen, bedarf es ausschließlich eigener Bemühungen. Meditationserfahrungen können also gar nicht übergeben, vermittelt oder gelernt werden, im Gegenteil, der Versuch zu vermitteln, wird dem Übenden nur wie ein weiteres Hindernis auf seinem eh schon schweren Weg begegnen und füttert nur seine Vorstellungswelt.

Beginnen wir aber jetzt erst einmal mit dem ersten Teil der Frage der Überschrift: Was ist der Mensch? Zunächst einmal ist der Mensch sowohl in materieller als auch geistiger Form heute ein Gegenwartspunkt einer sehr langen Entwicklungsgeschichte, die, ich will das gar nicht vertiefen, auch jetzt noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Warum sollte gerade jetzt eine so lange Entwicklungsreihe enden? Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Und auch alle anderen Geschöpfe auf unserem Planeten werden sich weiter entwickeln. Das scheint so angelegt zu sein, von wem oder warum sei hier einmal nicht gefragt. Wenn wir diese Entwicklung wie einen Strom (Rhein) betrachten, dann verändern sich dessen Bett und Ufer im natürlichem Umfeld dauernd, und auch das Wasser, das das Bett nutzt, ist ständig ein anderes. Es ist daher heute eigentlich nicht wesentlich, woher das Wasser kommt und warum es gerade so fließt. Es ist so und bleibt relativ beständig. Wir sagen dazu, es hat Dauer. Wenn wir das zum Menschen zurücktragen, können wir doch sagen, das der Mensch ein Wesen ist, das sich ständig verändert, aber in seiner Grundkonzeption über so etwas wie eine als stabil wahrgenommene, aber begrenzte Dauer verfügt, mit anderen Worten irgendwann erscheint und wieder vergeht. Wir nennen das Sterblichkeit.

Dann bewohnt der Mensch diesen Planeten, genannt Erde, mit Millionen anderen Formen von Leben, die sozusagen gemeinsam die Grundlagen schafften und noch immer schaffen, die dieses Leben so möglich machen. So verbrennt der Mensch als tierisches Wesen mit seinem Stoffwechsel Kohlenstoffverbindungen durch die Zuführung von Sauerstoff zu Kohlendioxid, das wiederum von den Pflanzen aufgenommen und in feste Materie (Blätter, Pflanzen, Bäume) zurückverwandelt wird, wobei Sauerstoff freigesetzt wird und Brennmaterial entsteht, die beide wiederum von der Tierwelt benötigt werden, um in materieller Form weiterexistieren zu können. Wir sehen hier eine Kreislaufwirtschaft, die von einer großen Abhängigkeit erzählt, der das Leben auf diesem Planeten unterworfen ist. Weiterhin bestehen Abhängigkeiten aller Lebensformen von Wasser, der Zusammensetzung der Luft sowie den planetarischen Gewalten, die aufgrund der Zusammensetzung des Planeten, seiner schwimmenden Hülle und seinem feurigen Kern, hier und da für Turbulenzen und Veränderungen sorgen, die Dauer und Möglichkeiten der Lebewesen entscheidend prägen können. Im Grunde kann Leben auf der Erde also als ein Prozess verstanden werden, der irgendwann einmal in ferner Vergangenheit begonnen hat und bis jetzt andauert.

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