Freiheit.01

Woran erkenne ich , ob ich frei bin?

Ich möchte mit einer Aussage beginnen, die wahrscheinlich sofort auf heftige Widersprüche trifft und die das Mark unserer politischen Kultur erschüttern würde, wäre sie erwiesen und wahr: „Der in Freiheit lebende Mensch wird weder rebellieren noch eine Revolution anzetteln.“ Warum sollte er so etwas auch tun? Rebellieren kann man nur gegen Menschen, die auf andere Druck ausüben. Kann und werde ich aber unter Druck gesetzt, bin ich nicht frei. Revolutionen durchführen bedeutet, ein Gesellschaftssystem durch ein anderes zu ersetzen, hat etwas mit Macht haben und ausüben zu tun. Systeme dieser Art aber schränken prinzipiell die persönlichen Möglichkeiten ein. Wenn ich eingeschränkt mich befinde, bin ich nicht frei. Reformen stattdessen durchführen heißt, bestehende Regeln und Grundsätze anpassen an eine aktuelle Situation und ist damit von Prinzip her niemals fertig, denn das, was aktuell ist, ist immer schon vergangen, wenn ich seinen Inhalt erkenne. Reformen sind eine niemals endende Schleife der Anpassung. Wenn immer wieder neu reformiert werden muss, lebe ich zeitweise in unangemessenen Umständen und bin daher auch nicht frei. Wann also bin ich wirklich frei? Muss ich also, um wirklich frei zu sein, sozusagen bestehende Regularien ausblenden, mich in einen Rahmen zwängen, in dem weder Reformen, Revolutionen noch Rebellionen möglich sind? Ist dann vielleicht ein Leben in einem Kloster so ein Rahmen? Und bin ich im Kloster, dem ich dann selbstbestimmt angehöre, wirklich frei?

Der Bezug zu Religion und Spiritualität

Die absolute Freiheit 1, also die, die weder ein „von…“ noch ein „zu…“ kennt, ist in meiner Vorstellung ein paradiesischer Zustand, in dem weder Gefahren, Zwänge noch Nöte auftauchen. Eine solche Welt ist meiner Kenntnis nach auf der uns bekannten Welt nicht einmal ansatzweise gegeben und stellt für mich „lediglich“ eine sehr hohe Idealvorstellung dar. Als lebendiger Mensch in der heutigen Form und Zeit erscheint sie mir unerreichbar. Sie wäre für mich in der Definition eine Form des Lebens, die weder Rebellion oder Revolution noch permanente Reformierungen notwendig erscheinen ließe. Aber ich kann diese Idealvorstellung sozusagen als Maßgabe verwenden, die ein Leben in momentan größtmöglich anzustrebender Freiheit bezeichnen würde.

Ein gutes, zufriedenstellendes und glücklichen Lebens zufolge wäre damit definiert als weitestgehende Abwesenheit von rebellischen oder umstürzlerischen Gefühlen und Gedanken und wenigen Wünschen nach Veränderung der Gegebenheiten.

Nun sind gut, zufrieden und glücklich ja relative Begriffe, die stets die Anwesenheit von schlecht, unzufrieden und unglücklich verlangen. Demzufolge müssten die Lebensumstände eines Menschen in Freiheit so geschaffen sein, das es dieser Wertungen im weitesten Sinne nicht mehr bedürfte. Es gäbe also in großer Annäherung nur noch Gutes, Zufriedenes und Glückliches. Und da wir Menschen nicht erst seit heute in großer Zahl auftreten, müsste dieses für alle Menschen gleichermaßen gelten. Und als mitfühlende Wesen müsste der Mensch diese Zustände auf alle lebenden Wesen ausdehnen. Das ist insgesamt ein sehr hoher Anspruch, den die Forderung nach größtmöglicher Freiheit zugrunde legt. Die Menschheit ist weit davon entfernt, dem Folge leisten zu können. Aber heißt das dann auch gleich, das die Suche nach besseren Bedingungen für das Annähern an das große Ideal prinzipiell erfolglos sein muss? Ich denke, dass das nur mit einem „ja, aber…“ beantwortet werden sollte, denn jeder Schritt in die Richtung dorthin führt zu einer Verbesserung der Welt.

  1. …wird nahezu ausschließlich in der Religion oder im Rahmen von Spiritualität gesehen…, Erweckung, Erleuchtung, Erfüllung…
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