Freiheit.01

Die Geisteswissenschaft Philosophie

Bleibt noch, wie die Königsdisziplin der Wissenschaften, die Philosophie mit dem Begriff Freiheit umgeht. Wenn wir von den zu Beginn des Artikels ausgeschlossenen „Freiheiten von und zu…“ ausgehen, hat unsere „Liebe zur Weisheit“ nicht wirklich viel zu bieten. Meist geht es um die politische, die staatsrechtliche Freiheit oder aber die, die im Verhältnis zum Mitmenschen oder dem Gebrauch von Gegenständen nach Regeln oder Beziehungspunkten fragt. Ein weiteres Thema ist der Bezug zu kausalen Zusammenhängen, zur gesetzten Vernunft und der gesetzten Kategorienlehre europäisch geprägter Philosophie. Darin wird die „Freiheit an sich“ oft als unvollständig und ungeeignet bezeichnet, und es wird angeraten, den Begriff aus der wissenschaftlichen Arbeit weitestgehend zu verbannen. Bedeutsam ist auch die in den philosophischen Abhandlungen oft zu bemerkende Versuch, die persönliche Freiheit mit Anarchie gleichzusetzen. Da Anarchie und Ordnungssysteme sich zu widersprechen scheinen, begleitet die Verwendung des Begriffes stets eine deutlich ausgeprägte Skepsis. Daran konnten auch die Versuche, ihn durch „Handeln des Handelns“, „Determination der Determination“, über Affirmationen oder durch „transzendentes Handeln“ zu ersetzen bzw. zu erklären, nichts ändern. Auch die Erklärungen, Freiheit deutlich von Willkür abzusetzen oder Freiheit dadurch zu begrenzen, das der Weg zu Willkür verbaut ist, überzeugt nicht wirklich. In allen europäisch geprägten Philosophiekonzepten ist der Mensch einer Vielzahl von Determinationen unterworfen, die den Anspruch, „in Freiheit sein zu können“ negieren und immer wieder in die Gebundenheit zurückführen. Für eine Beschreibung der „Freiheit an sich“, die sich als hohes Gut und Ideal darstellt, halte ich daher die wissenschaftlich orientierte europäische Philosophie für ungeeignet. Außerdem, wer jemals versucht hat, die Begriffsmodelle über Freiheit oder direkt angrenzender Themenkomplexe in den philosophischen Schriften zu verstehen oder gar sich anzueignen, wird verstehen, warum das von mir so gesehen wird.

Dataismus

Auch der Versuch in der europäischen Kultur der letzten Jahrzehnte, die Sprache und ihre Wirkungen in Bezug zu Sinngebung, Kommunikation und Identität vom Leben abzukoppeln, helfen in dem Versuch, die Freiheit an sich zu beschreiben, nicht wirklich weiter. Außerdem haben sich diese Versuche derart intellektualisiert, das von einem breit gefächerten Verständnis dieser Techniken in der Masse der Bevölkerung nicht gesprochen werden kann. Weiterhin ist gerade in intellektuellen Kreisen in 2021 zu vermerken, das mit Gendern und anderen Identitätskampfmethoden eine reaktionäre Wiederbelebung der Subjektivität in einem materialistischem Kleid zu beobachten ist. Verschärft wird dieser Trend durch die digitalen Medien, die scheinbar nur noch kurz gefasste Erklärungsversuche zuzulassen scheinen. Die These von Ockham, das bei der Bildung von Hypothesen und Theorien Sparsamkeit geboten sei und daher die einfachste Variante den Vorzug genießen sollte, wird von den Dataisten 1 heute wohl falsch verstanden. Um bei der Wahl einer Theorie den Vorzug geben zu können, muss man alle zur Verfügung stehenden Theorien kennen. Erst dann ist eine Wahl eine Wahl. Und was für Theoriebildung gilt, könnte leicht auch bei der Wahl von Parteien und Mandatsträgern gelten.

Die neue Phänomenologie

Eine weitere Überlegung, die im philosophischen Kreisen eine sehr unbeachtete Rolle spielt, ist das Werk des Philosophen Hermann Schmitz: Die neue Phänomenologie. Sie scheint, auf einen ersten Blick meinerseits betrachtet, einen Weg aufzuzeigen, die alte Philosophie aus ihrem Schlaf zu wecken und wieder zu beleben. Besondere Kritikpunkt dieser Arbeiten sind die Verfahrensweisen des Psychologismus, des Reduktionismus und der Introjektion (Innenverlegung). Ich bin allerdings noch nicht tief genug in das Werk eingedrungen, um weiterführende Aussagen treffen zu können. Es wird irgendwann in der Zukunft dazu einen Artikel geben.

  1. Anhänger der Big Data Theorie, nach der einfach gesprochen alles aus Daten abgeleitet werden kann, sobald alle Funkionen einer Gesellschaft erfasst und ausgewertet werden können.
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