Die Objektlose Meditation der Stille

Der ruhende Körper

Wie bereits erwähnt, benötigen wir für eine Meditation der ersten Kategorie einen ruhenden Körper. Das ist eine Körperhaltung, die in sich selbst trägt und in der über den Meditationszeitraum (bei mir 25 Minuten) keine bewusst gesteuerte Bewegung notwendig ist. Bewusst gesteuerte Bewegungen werden in der Regel durch einen Impuls ausgelöst, die entweder von ein Sinn oder von einem Gedanken ausgelöst werden. Daher ist es empfehlenswert, seine Impulse zunächst einmal kennenzulernen, sie schon früh, möglichst vor dem Beginn der Bewegung, wahrzunehmen und somit diese ignorieren zu können. Das muss der in westlicher Umgebung lebende Mensch zunächst einmal lernen. Dann verbleibt der Körper ja die ganzen 25 Minuten in einer nahezu unbewegten Position, nahezu, da Atmung und Kreislauf natürlich auch eine Bewegung darstellen. Weiterhin gibt es Impulse, die direkt vom vom Körper ausgeführt werden. Das kann ein plötzlich aus dem Nichts zu kommendes Zusammenzucken sein, ein Niesen oder Husten oder auch ein Erschrecken. Diese Impulse werden sich nicht oder nur selten unterdrücken lassen. Das versuche ich daher erst gar nicht. Für das Sitzen in Meditation 1 sitze ich dafür entweder im Burmesischen Sitz, im Halben Lotus oder im Lotus. Die gewohnten Anweisungen dazu sind der aufgerichtete gerade Rücken und die Kopfhaltung mit der Nase geradeaus zeigend. Das ist ein wenig dünn, denn der Körper ermüdet schnell in unbewegter Haltung und er kann beides einfach so nur mit Mühe halten.

Exkurs: Sitzhaltungen
Daher empfehle ich ein paar zusätzliche Vorgaben, die das Sitzen deutlich stabiler machen.

1. Beginnen wir mit dem Kissen. Mein Kissen ist an der Rückenseite etwa 6 bis 8 Zentimeter höher als auf der Vorderseite. Trotzdem solle das Gewicht rutschfest und ausschließlich auf dem Kissen ruhen und die Beine unbelastet lassen. Hilfreich ist auch eine dem Gesäß angepasste Kuhle.
2. Dann ist der Körper leicht (5-10°) nach vorne geneigt und wird durch eine sehr sanfte Kontraktion des Bauches, die den Beckenkamm sanft mitnimmt, und der unteren Rückenpartie, die sich sehr sanft gegen den Zug nach hinten stellt, ausbalanciert. Das klingt zunächst einmal anstrengend, wird aber mit der Zeit fast wie mühelos vorhanden empfunden. Hier wirkt dann die bereits erwähnte Variable Verfügbarkeit, die diese Einrichtung annimmt und wie selbstverständlich werden lässt.
3. Dann brauchen wir eine Auflage für die Handrücken, die in der Mitte des Körpers etwas unterhalb des Nabels in der Dhyani-Mudra gehalten werden. Die Ellenbogen werden dann so eingerichtet, das die Balance nicht gestört wird, was meist etwas vom Körper abstehend erreicht wird. Wenn das Gewicht der Arme die Hände und deren Ablage erreicht, bleibt diese Ellenbogenhaltung auch wie von selbst bestehen.
4. Dann setzen wir den Kopf in ausbalancierter Weise zentral auf den Rumpf. Das wird erreicht, indem das Kinn sich etwas dem Kehlkopf annähert. Als Voraussetzung für das Gelingen ist eine geöffnete Schlüsselbein-Partie, die sich durch die Ellenbogenhaltung relativ schnell einstellt.
5. Um warm zu bleiben, kann es sein, das der Körper in den kälteren Jahreszeiten einen wärmenden Umhang (Decke) benötigt, der auch die Füße einschließt.
6. Für die Augen gibt es unterschiedlichen Anweisungen in den Traditionen. Mal sollen sie offen, mal nur leicht geöffnet, oftmals können sie sanft geschlossen sein. Das ist alles durchaus möglich, wenn dabei beachtet wird, das die Augenlider sanft gesenkt/geschlossen werden. Was ich aber durchaus wichtig empfinde ist die Anweisung, die Augen auch wenn sie geschlossen sind nicht nach unten schauen zu lassen, sondern sie in Relation zur leicht gebeugten Körperhaltung geradeaus einzurichten. Der Blick geradeaus, man könnte auch sagen in geraden Stehen/Sitzen am Ufer eines großen Wassers zum Horizont hin, geht dann durch die leichte Vorbeuge etwa 10 Meter vor dem Sitz auf den Boden. Diese Augenhaltung wird erleichtert dadurch, das man die Augen in die Außenwinkel entspannt, was wiederum nach kurzer Zeit eine Variable Verfügbarkeit erzeugt, die mühelos wird.

Wir haben mit diesen kleinen wirksamen Einrichtungen für den Körper eine Haltung geschaffen, die mühelos wird. Der leichte Druck zwischen Bauch/Beckenkamm und unterem Rücken bewirkt einen Energiefluss nach oben, der die Haltung des Rumpfes wie ein Luftstrom trägt. Die Kopfhaltung, die ein entspanntes Tragen des Kopfes erlaubt, benötigt wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. Die Augenhaltung bewirkt ein Spannungsfeld, das ein eindösen oder gar wegdämmern nicht mehr erlaubt. Das Gesäß als Schwerpunkt ist geerdet und verwurzelt. Die Beine liegen ohne Last tragen oder aushalten zu müssen entspannt auf ihrer Unterlage (Matte, Oberschenkel). Die Hände ruhen auf der Unterlage. Alles in Allem wird der Körper so eine zufriedene und mühelose Haltung erreichen, die durchaus auch für mehrere Sitzrunden trägt und die wie eine Entspannungshaltung empfunden werden kann. Ich will nicht unerwähnt lassen, das der Körper die für die gewünschte Sitzhaltung notwendige Beweglichkeit mitbringen muss.

Man muss verstehen, das eine ruhende Haltung nicht statisch fest genannt werden darf. Die Körperhaltung wird erreicht durch Gleichgewichtsreaktionen bzw. durch Balance. Jede mögliche Bewegung wird durch mindestens zwei Kontrahenten erzeugt, die sich gegenseitig ausgleichen. Da der Körper aber nicht aus Teilen, sondern aus einem Stück besteht, ist dieses Gleichgewichtsgefüge darüber hinaus wie ein dreidimensionales Netz zu sehen, in dem mehrere Protagonisten miteinander in multipolaren Abhängigkeiten zusammenarbeiten. Mit der Zeit werden die verschiedenen Abhängigkeiten unterschieden werden können, so das der Verlust der ruhenden Haltung während einer Sitzung mühelos zurückgewonnen werden kann.

Der ruhende Geist

Die Sache mit dem ruhenden Geist gestaltet sich etwas schwieriger. Denn hier begegnen wir nicht einer natürlichen Erscheinung, als die sich unser Körper darstellt. Unserer denkender Geist 2 ist ein imaginäres Werkzeug, das uns Menschen Verhaltensratschläge gibt. Diese stammen aus interpretierten Ereignissen der Vergangenheit, die in bezug zur gerade erlebten Realität gesetzt werden, die be- und auswertet, zusammengefasst und in die Zukunft projiziert Lösungen für Problemstellungen anbietet, die akut auftreten, die auftreten könnten oder sogar nur befürchtet werden. Das Werkzeug Denken ist gar nicht bis schwer zugänglich, da es, um zugänglich zu sein, sich selbst als Werkzeug verwenden müsste. Daher haben kluge Menschen uns ein zusätzliches Werkzeug angedichtet, das etwas über dem Denken steht und das durch Setzungen, Wertungen und Paradigmen festlegt, was sicheres Wissen bedeutet und wie der Mensch sich zu verhalten habe. Dieses Werkzeug ist die Vernunft. Sie ist noch geistiger als der Geist und ebenso ungreifbar. Und da wir Menschen trotz dieser Einrichtungen immer noch nicht nur gut und richtig entscheiden und handeln, haben wir dem übergeordneten Begriff der beiden, nämlich dem Bewusstsein, in dem die beiden bereits Genannten sowie alle Sinneswahrnehmungen sozusagen zusammenarbeiten, noch ein Unterbewusstsein und ein Unbewusstes hinzugefügt, damit es für Fehler Sündenböcke, sprich Entschuldigungen gibt. Dort im Un und Unter manifestiert sich der Theorie nach das „tierische“ Verhalten ungebremst, ohne Denken und Vernunft. Das ist, grob und etwas satirisch formuliert das, was wir Geist nennen. Nur, stimmt das so wirklich? Ich weiß es nicht. Und das ist ja noch nicht alles. Dieser Geist kann auch Geschichten erfinden, Erzählungen anderer aufnehmen und diese wie eigene Erlebnisse behandeln.

Das auf der oben gezeigten Beschreibung von Geist beruhende „Ich“, das alle Entscheidungen trifft, bewertet und danach handelt, ist in der Meditation ein sehr wichtiger Faktor. Gewöhnlich sieht sich das jeweils individuelle Ich sich selbst als einem Mittelpunkt an, um den sich alles dreht. Das beruht auf der Erkenntnis (Descartes), das der Mensch sich seines Denkens und Zweifelns nur dann gewahr werden könne, wenn er auch wirklich ist, also da ist. So heißt es oft: Ich habe… Ich denke… Ich meine… Ich fühle usw. Dieser so beschriebene Geist, bestehend aus Ich, Bewusstsein, Denken, Vernunft, Unbewusstes und Unterbewusstes, von der Seele 3 mag ich erst gar nicht reden oder schreiben, soll also still werden, soll ruhen besser gesagt, was nichts anderes bedeutet, als das er den Ablauf der Meditation nicht stören soll. Das ist ein wenig wie bei kleinen Kindern, wo die genervten Eltern froh sind, wenn der heiß geliebte Nachwuchs endlich tief und möglichst lange schläft.

Wie kommt aber der unruhige Geist und seine Aktivitäten schnell und gezielt zur Ruhe? Dazu gibt es nach den Meditationstraditionen mehrere Möglichkeiten. Doch fallen die meistens und genau besehen in die oben genannten Kategorien Kontemplation und Variable Verfügbarkeit. Sich als Meditierender zu entscheiden, mal einfach nicht zu Denken, geht im Prinzip nicht, da die Instanz ja das Denken sein würde, die befielt, nicht zu denken. Das Bewusstsein, das Denken, Vernunft und Weitere beherbergt, ist für eine direkte Einwirkung nicht eingerichtet. Da gibt es keinen Schalter „aus“, das alles oder auch nur Teile still-legen könnte. Was bleibt also, wenn wir beschließen, still oder ruhend zu sein?

  1. Liegen empfiehlt sich nicht, da das Einschlafen gewohnheitsmäßig im Liegen beginnt. Stehen ist durch die ständige Balance-Aufgabe schwierig.
  2. Geist bedeutet, das es etwas gibt, was weder beschrieben werden kann, was keine materiellen Eigenschaften besitzt und ungreifbar ist. Daher wird der Geist des Hauses in Filmen auch oft als nebelige Form dargestellt. Das ist in unserer Sprache die größtmögliche Annäherung oder ein begreifbares, ähnlich erscheinendes Beispiel: Mythos.
  3. Ist vielleicht der angenommene göttlich Anteil am Menschen?
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