Die Objektlose Meditation der Stille

Langeweile als Methode

Wer kennt nicht die Reaktion auf bestimmte Freunde, die immer wieder das Gleiche erzählen und nicht bemerken, das sich dabei alle anderen Anwesenden langweilen. Wir schalten bei so etwas schnell ab, sozusagen, hören zwar die Worte, verinnerlichen sie aber nicht mehr und sind irgendwo gefühlt im Nichts. Eine Möglichkeit, sich des Denkens zu entledigen wäre dann, es solange zuzulassen, bis alles und jedes zum 100sten Mal gedacht wurde, es langweilig wird, immer weiter dasselbe zu denken und sich so eine Abwendung vom Gedachten sich ereignen lässt. Dann ist es zwar noch nicht ruhig, aber man ist innerlich doch zumindest schon mal der Stille etwas näher gerückt. Man ist dann, so schreiben und schrieben es die Meister der Meditation, sozusagen in der Wartehalle der Stille, die sich dann wie von selbst ereignet, plötzlich und ohne eigenes Wollen. Die Technik wäre, alles ohne Ausnahme zuzulassen, auch das Nicht-Gewünschte, Phantasierte, Befürchtete usw. und so sich über die Langeweile zu nähern. Wenn dann im Alltag nicht mehr viel neues an Wissen, Gehörtem und Erzählten dazukommt, alles Leben sozusagen seinen wie immer schon gewohnten Gang geht, keine Ereignisse mehr, die Höhen darstellen, keine mehr, die als Tiefen deklariert werden können, dann sollte das relativ schnell gehen. So würden sich auch die Erfolge der Klöster, der Pilgerreisen und der Einsiedeleien erklären. Zum Gelingen dieser Methode wäre vorauszusetzen, das der Mensch durch sein Werden bedingt eine Erfahrung der Stille, des ruhenden Geistes also bereits mitbringt, diese bereits erworben hat oder sie sich wieder aneignet. Der Erwerb würde dahingehend möglich sein, das Ereignisse, die sehr schmerzhaft und/oder unter die Haut gehend sind, durchlebt wurden, die das Geist-Geschehen sozusagen für kurze oder auch längere Zeit zum Stehen zu bringen vermochten. Erlebnisse solcher Art sind oftmals das Motiv, mit der Meditation zu beginnen. Die Motive sind oft Verluste an Bezugspersonen, Burnout-Erlebnisse, lebensbedrohende Krankheiten, große Ent-Täuschungen aller Art oder auch Traumata. Aber auch Glücksgefühle, Gefühle des Eins-Seiens oder religiöse Erfahrungen stellen solche Motive dar, nur sind diese leider sehr viel seltener als die erstgenannte Gruppe. Das Aneignen würde so vonstatten gehen, das im Zulassen von Allem Pausen im Denken entstehen, die wahrgenommen (Achtsamkeit), dann verinnerlicht und die folgend zu einem festen Bestandteil der Erfahrung werden. Ein langer Prozess, der, wie aus der weiter oben beschrieben Methode abgeleitet werden kann, Stehvermögen verlangt.
Meiner Ansicht nach ist diese stille Meditation, ob sie bereits gelingt oder auch nur versucht wird, die einzige und letzte Form der Meditation, die eine Wirkung auf das In-Der-Welt-Sein meinerseits haben kann. Vielleicht kehre ich deshalb immer wieder zu dieser Form zurück. Wenn ich das Denken in jeder Form zulassen möchte, ich aber von dem, was wir Gefühl nennen, was ja eine körperliche Reaktion auf geistige Aktivitäten darstellt 1, befreit sein möchten, müssen wir verstehen, was die Inhalte des Denkens eigentlich sind, wie sie zustande kommen und welche Setzungen dazu schon vor sehr langer Zeit vorgenommen wurden. Erst wenn wir verstehen, wie Denken im persönlichen Kontext eigentlich zustande kommt, wir die Impulse, die daraus folgen, wahrnehmen und den Übergang derselben zum Körperlichen hin verhindern 2, werden wir einen ruhenden, sich im Gleichgewicht sich befindenden Körper haben können. Der nächste Schritt ist dann, diese Emotionen schon im Keim zu entschärfen und den Impuls erst gar nicht entstehen zu lassen. Wie aber können wir das Denken, dem wir anhängen, verstehen? Worauf gründet sich das und welche Entstehungsgeschichten liegen dem persönlichen Denken zugrunde?

Die Ideen

Eine der wesentlichsten Neigung westlich geprägter Menschen ist der Wesenszug, Ideen zu verfolgen. Damit meine ich nicht die Ideenlehre Platons oder ähnliche Konstrukte.

Exkurs: Platons Ideen
Die sogenannte Ideenlehre Platons ist keine Lehre, die aus Platons Schriften hervorsticht und von Platon so gesehen wurde. Sie ist eine Zusammenfassung einer Grundidee, die Wissenschaftler aus dem Studium Platons Schriften zusammengefasst haben. Sie behaupten darin, das Ideen sozusagen allgemeingültig, widerspruchsfrei, unveränderbar und einfach begründbar sein müssen. Das klingt in meinen Augen aber vielmehr nach Aristoteles als nach Platon. Platon stellte über die Figur Sokrates Fragen zu scheinbar widerspruchsfreiem Wissen. Er versuchte, die Begründungen für dieses Wissen in Frage zu stellen und lehnte Allgemeingültigkeit mehr oder weniger konkret ab. Platons Ideen waren mehr Wesenheiten, die zu Begriffen wie Schönheit und Liebe mytisch 3 Stellung bezogen. Wesenheiten aber sind Vorstellungen, die nicht festgezurrt, definiert oder dogmatisiert werden können. Sie aus dem Mythos ins Wissen herüber zu definieren, mag heute üblich sein, trifft aber nicht (mehr) den Kern der alten Philosophien.

Eine solcher Ideen ist Tätig-Sein-Müssen. So gilt in unserer Gesellschaft, die ja bekanntlich auf Arbeitsteilung beruht, das tätig sein zur Erlangung der Legitimation als anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu einer der Grundsetzungen. Sich als Sohn/Tochter reicher Eltern nur mit dem Geldausgeben zu beschäftigen, über hochbezahlte Jobs und gute Geldanlage vorzeitig zum Ruhestand zu gelangen oder sich gar auf Kosten anderer ein schönes Leben zu machen gilt gesellschaftlich als verpönt. Tätig zu sein ist also ein wichtiges Grundprinzip unserer Gesellschaft. Diese Tätigkeit soll dafür sorgen, das wir den Status erhalten, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Warum das so sein muss, entzieht sich meiner Vorstellung. Wenn ich genug Geld erworben oder bekommen habe, kann ich doch eigentlich tun, was ich möchte, solange ich Gesetze nicht verletze. Ob das mit dem Geld so richtig oder notwendig ist, ist dann eine andere Frage.

Mensch und Natur

Eine andere Idee ist zum Beispiel das abendländische Verständnis zum menschlichen Verhalten der Natur gegenüber. Nach den Vorstellungen der vorherrschenden Religionen dieses Kulturraumes (Christentum, Islam) kann auf der Weltkugel nur der Mensch Gottes Wort empfangen und befolgen. Daher sieht dieser sich als Herrscher dieser Welt und formt sie nach seinen Vorstellungen. Da er Gottes Worte verstanden hat, ist das seiner Ansicht nach auch im Sinne des transzendent gedachten Gottes. Und er sieht diese Ansicht als nicht diskutierbar an und verweigert jegliches Infragestellen Das Hauptwerkzeug dabei ist die Lehre der Logik, die auf Aristoteles beruht. Diese soll richtiges, überprüfbares und belegtes Wissen erzeugen, was viele JH ja auch gut geklappt hat. Allerdings sehen wir heute, das diese Ansicht nicht überzeugend weiterverfolgt werden kann, da einige physikalische Grundlagen durch das Übermaß an Ausbeutung in Zukunft nicht mehr verfügbar sein werden.

Exkurs: Natur

Des Menschen Beziehung zu dem, was er Natur nennt, steht heute in Frage. Nach wie vor sieht sich der Mensch selbst als Beherrscher der Natur, und er handelt entsprechend. So teilen er das Leben auf der uns zugänglichen Welt in pflanzliches (stationär) und tierisches (bewegt) Leben. Das bedeutet, das wir denken, das Menschen als Tiere und die Pflanzen nicht viel gemeinsam haben und wir über sie verfügen könnten, wie es uns gefällt. Nur, das stimmt leider so nicht, denn die beiden leben in einer Symbiose, was genau genommen bedeutet, das Tiere nicht ohne Pflanzen und Pflanzen nicht ohne Tiere werden überleben können. Dazu zählt nicht nur die Tatsache, das Pflanzen den Sauerstoff freisetzen, den Tiere brauchen, sondern auch, das Tiere das Kohlendioxid freisetzen, das Pflanzen zum Wachstum brauchen. Es ist weiterhin ja nicht allein so, das Tiere sowohl Pflanzen als auch Tiere verzehren müssen, um leben zu können, sondern auch die Abfälle 4 und sterblichen Überreste der Tiere werden von den Pflanzen benötigt, um wachsen zu können. Leider scheint diese Symbiose nicht allen Denkern dieser Welt bekannt zu sein, denn sonst würde unsere Natur durch den Menschen und seine Ausbeutung nicht so zerstört sein, wie das heute überall auf der Welt zu sehen ist.

Daher favorisiere ich als die in Asien durch buddhistische und taoistische Gedanken geformte Ansicht, dass das Erhalten der Natur nicht durch Menschenhand, sondern durch die Natur selbst gestaltet werden sollte. Dazu müsste man die Natur aber ihren Lauf lassen und deutlich weniger gestalten und eingreifen, als das über viele JH üblich war. Konfuzius nannte als einzige gültige Maßgabe des Menschen die Regulation als Mittel, um in natürliche Prozesse einzugreifen. Die Natur wird darin nicht als Ding, Ressource oder Verfügungsmasse betrachtet, sondern als notwendigen Prozess des Lebens, der nicht gestört, sondern nur hier und da reguliert werden darf. Der Lauf der Natur, die uns hervorgebracht hat, hat Vorrang. Ihn zu stören wird als „unklug“ angesehen.

  1. …sie würden den ruhenden Körper stören.
  2. …erfordert die Spannungen zu kennen, die durch Wut, Begierde, Verstrickung, Angst oder Zorn entstehen.
  3. über Beispiele, Geschichten oder Sagen… umschrieben…
  4. Aus allen biologischen Abfällen, die naturbelassen anfallen, wird mit Hilfe von Mikroben (bewegtes Leben) Mutterboden oder Kompost gewonnen, in dem wiederum Pflanzen besonders gut wachsen können.
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