Meditation über „nichts“, eine Momentaufnahme

Die bewusste Stille des Atems

Nun sitzen wir still und mühelos auf Kissen oder Bänkchen, haben die Geräuschkulisse des Körperinneren akzeptiert, sind in der Lage, dieses minutenlang zu halten, aber werden feststellen, das das Bewusstsein, wie immer wir das auch definieren mögen, Beschäftigung sucht und jetzt erst einmal beginnt, der autonomen Funktion des Atems vorzuschreiben, wie seine Arbeit genau zu geschehen habe. „Wir atmen jetzt ein, atmen jetzt aus“ und/oder „der Ausatem sollte länger sein…“ und/oder „Ich sollte mehr im Bauch atmen“ und/oder ähnliche Gedanken werden den Kopf füllen und wenn wir dann genau hinschauen, werden wir bemerken, das der Körper auf diese Aussagen nahtlos reagiert hat und ab jetzt anders atmet. Der Atem ist die einzige autonome Funktion des Körpers, die durch den Geist beeinflusst werden kann. Also, in meiner Vorstellung kann der Geist nicht wissen, wie Atem zu sein hat, und sollte daher diese Einflussnahme gar nicht erst beginnen. Die Werkzeuge dazu wären Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.

Exkurs: Hat der Atem aber schon seine Beeinflussung erlitten, ist er nicht mehr so wie er sein sollte/müsste, um als angenehm wahrgenommen zu werden. Dann bin ich als Meditierender gezwungen, den Atem wieder in seine autonome Form zurückzuführen. Das geschieht in meiner Praxis mit drei tiefen Atemzügen, die aus einer ersten vollständigen Einatmung über Brustkorb und Bauch bis in den Unterleib gezogen werden. Dabei spannt sich zum Ende der Ausatmung hin die Bauchdecke leicht an, was zu bemerken ist und losgelassen wird. Sofort erscheint meist ein gieriger Einatem, der wiederum bewusst bis in den Unterbauch geleitet wird. Der nach der Entspannung des Unterbauches folgende Einatem ist wenig groß als der erste, wird aber wiederum bis in den Unterbauch abgeleitet. Dann wird der Atem einem Moment angehalten und der Unterbauch wiederum entspannt. Und dann, wir bemerken, das der Einatem nicht automatisch sofort einsetzt, beschließen wir, einfach nicht weiter zu atmen, ziehen uns vom Atem zurück und bleiben aufmerksam. Nach wenigen Sekunden bemerken wir, das der Atem wieder da ist, aber er ist leise, fast unmerklich und sehr fein.

Dann können wir uns wieder der Aufmerksamkeit des Ganzen widmen und den Atem vollständig vergessen. Er bleibt so, wie wir ihn verlassen haben, ruhig, mühelos und entspannt autonom. Das ist die Stille des Atems.

Die bewusste Stille des Geistes

Und als ob die bisher genannten Bedingungen für den Übenden nicht als schwierig erfahren werden, kommt er dann mit der Stille des Geistes an einen Punkt, der nahezu unerfüllbar bleibt. Nicht zu denken, wenn ich unbeweglich still herumsitze, ist nahezu unvorstellbar und sollte daher einfach gar nicht erst angestrebt werden. Es sind meist ja Vorstellungen, die jegliche Stille stören, und die sind ein Produkt des Geistes. Wenn der Geist also nichts produziert, ist es still. Klingt einfach, aber das ist es eben nicht. Menschen besitzen mit Bewusstsein eine Lebensfunktion, die in der belebten Welt einzigartig ist.

Exkurs: Nach neueren Erkenntnissen, und die stellen lediglich den aktuell anerkannten Kenntnisstand dar, ist Bewusstsein eine auf Resonanz und Verkörperung basierende Verbindung aus dem Gehirn/Neuronen, dem Körper und seinen Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeiten, dem Erinnerungsgefüge und der wahrgenommenen Umwelt. Die geglaubte Anwesenheit einer Seele ist dabei nicht notwendig, würde aber auch nicht stören.

Wenn wir uns in einer Meditationssituation befinden, ist die Umwelt still und bei geschlossenen Augen sogar ohne Kontur-scharfe Bilder, ist der Körper ohne äußere Bewegung mit Ausnahme des Kreislaufs und der Atem nahezu still. Das Alltagsbild ist also bereits durch die Vorgaben fürs Meditieren stark eingeschränkt. Trotzdem aber ist der Geist wach und somit in großer Bereitschaft zu arbeiten. Und er macht das, indem er aus dem Erinnerungspool/Vorstellung sozusagen ständig neue Gedanken formt. Neue Gedanken ist allerdings ungenau, denn es sind alte Gedanken in frischer Verpackung. Nun sind ständige Gedankenbilder der Erinnerung nicht Stille, sondern einem Selbstgespräch oder sogar Traum ähnlich. Um diesen Zustand beruhigen zu können bedarf es eines Verständnisses dessen, was Gedanken sind, wie sie funktionieren/wirken und was sie aufzuhalten oder abzuschwächen vermag. Festzuhalten ist hier zunächst einmal, das wir das Denken nicht bewusst durch Entscheidung einstellen können, denn das würde wieder Gedanken hervorrufen, die nämlich, die den Willen dazu auszudrücken vermögen. Auch kann man den Trick anwenden, den aktuellen Gedanken abzubrechen und gespannt und konzentriert auf den nächsten Gedanken zu warten. Das geht für eine gewisse Zeit ganz gut. Und auch wenn das zunächst Erfolg verspricht, kann das keine Lösung sein, denn Konzentration ist eben doch nicht Meditation. Ich empfehle daher diesen Trick nur anzuwenden, um stark fordernde und penetrante Gedanken zu stoppen. Besser erscheint mir nach meinem Kenntnisstand heute die Möglichkeit zu sein, den Raum des Denkens mit dem Raum der Körperwahrnehmung zu verbinden und so einen großen, nahezu grenzenlosen Raum des Bewusstseins zu schaffen, in den dann alle Emotionen, Gedanken und Körperwahrnehmungen einfließen und sich dort angesichts der Grenzenlosigkeit mehr und mehr verlieren. Das geschieht, indem man sich bei störenden Gedanken und Bildern an den Raum erinnert und sozusagen die Anregung gibt, das alles Gedachte in den weiten Raum hinüber fließt und dort verbleibt. Mit der Zeit wird diese Anstrengung mehr und mehr in eine Gewohnheit einmünden, die nahezu ohne Anstrengung und sozusagen autonom abläuft. Auf diese Weise erreicht man mit der Zeit immer mehr Raum und Zeit zwischen den Gedankenbildern. Diese Zwischenräume weiten sich nach und nach und nehmen dann mit zunehmender Übung einen Großteil der zur Verfügung stehenden Meditationszeit ein. Das nenne ich dann die Stille des Geistes.

image_pdfimage_print

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert