Meditation über „nichts“, eine Momentaufnahme

Es sind die Erfahrungen des vergangenen Lebens, die die Schleier, die Mauer bilden, durch die hindurch gesehen werden muss, um Einsicht ins wahre Leben zu erlangen. Und es sind nicht nur die großen, sondern auch die unzähligen kleinen Erfahrungen, die hier einen Schutzschild, einen Schleier, eine Mauer, eine Schiene, oder wie auch immer man das nennen mag, bilden. Sie werden im Schutzraum der Meditation abgetragen, Schicht für Schicht, Stein um Stein, Knoten für Knoten. Für diese Arbeit im Schutzraum der Stille gehört Mut, Disziplin und Stehvermögen. Nicht immer ist das, was dort auftaucht, sich öffnet, wieder schließt und sich kurz oder länger zeigt, von angenehmer und würdevoller Art. Aber diese Arbeit ist wichtig für ein Leben ohne Leid und Schmerz. Leid und Schmerz werden doch nicht allein durch Ereignisse hervorgerufen, denen ich ausgesetzt bin, sondern auch durch die Vermeidungsstrategien, die einmal erlittenes Leid hervorbrachten und in Form von Vermeidungsmechanismen mit immer den gleichen Handlungen verbunden sind, Handlungen, die im aktuellen Fall oftmals vollkommen daneben liegen und nur unnötiges weiteres Leid verursachen. Und da hilft auch nicht die Spontanität, zu der immer wieder geraten wird. Spontanität greift ja geradezu auf diese Schleifen zurück. Dieses Motiv wird erst dann brauchbar, wenn die vorhandenen Schleifen erkannt, erneuert oder abgetragen wurden, also erst nach einer umfänglichen Meditationspraxis.

Die Nützlichkeit der Visualisierung des leeren Raumes

… ist in der Meditation ein Werkzeug in Form einer Metapher 1. Wenn wir uns die Meditationspraxis wie von außen betrachtet anschauen, verengen die Meditationsvorgaben den Raum der Wahrnehmung auf körpereigene und Sinneswahrnehmungen meist in Form von Körpergefühl, Bildern und Geräuschen. Somit bleibt viel Platz für die Vorstellungswelt des Menschen. Und da Menschen immer auch Erlebnisse und Ereignisse mit auf die Matte tragen, werden sich dort auch die vorgefertigten Schleifen, von denen weiter oben die Rede war, nach und nach einstellen. Jeder Meditierende, der einmal emotionsgeladen (Wut, Zorn, Trauer, Mattheit, Enttäuschung…) sich auf seine Matte zurückgezogen hat, weiß, was ich hier anspreche. Werden solche Gedankenbilder/Vorstellungen aber zu den anderen schon vorhandenen Wahrnehmungen in den leeren Raum geleitet, der sich durch Schauen hinter geschlossenen Lidern imaginär öffnet, dann wird dem Betrachter schnell klar, das all das zusammengehört und immer als „mein“ angesehen werden muss. Es ist wie das Körpergefühl, das Hören ja in dem Raum meines „Ich“ versammelt, somit als Vorstellung erkennbar und kann zur Einflussnahme bereit, kann dann verändert oder sogar gelöscht werden. Es entfallen die Ursachen, die Möglichkeiten der Auslagerung und Schuldzuweisungen im/nach Draußen. Es ist ja nur mein Raum, durch Meditation geöffnet, daher anderen unzugänglich, der somit auch nur durch meine eigene Vorstellung bestückt werden kann. Ich erkenne dann die Stimmung als „mein“ und nicht durch andere ausgelöst. Jetzt kann ich auflösen oder zumindest lindern.

Das unbeliebte/heiß-geliebte Ich

Die Aussageform „Ich…“ hat in der Spiritualität eine seltsame Ausprägung. Während die alten Traditionen in ihrer Form den Ich-Gedanken eher ablehnen oder ihn für ein Zumutung halten, ist das „Ich“ in der Moderne wieder ganz groß im Kommen, und zwar als Selbst-Optimierungsgedanke. Also ich persönlich kann in beiden Extremen keinerlei Anregung finden. Nehmen wir mal an, ich meditiere aus einer spirituell begründeten Suche heraus. Muss ich dann jeden Gedanken, der mit „Ich…“ anfängt, verwerfen? Oder sollten, das andere Extrem, das „Ich…“ grundlegend immer Verwendung finden, da ja nur ich zunächst einmal an meiner spirituellen Suche „profitieren“ kann und erst dann andere Wesen betroffen sein werden? Das keines der Extreme in irgendeiner Weise angewendet werden kann belegt doch schon der folgende einfache Satz: Ich setzte mich gleich auf meine Matte zur Meditation, um Ruhe zu finden. Ohne den Ich-Gedanken werde ich meine Matte nicht finden, und ohne den Ziel-Gedanken werden ich wohl nicht anfangen mit meiner Übung. Somit sind doch beide notwendig. Die Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist mehr die, wie viel, wann und zu welcher Gelegenheit das „Ich…“ als Denkform gebraucht wird. Und zur Zeit denke ich, das es oftmals zu sehr im Fokus steht und gebraucht wird, ohne den Nutzen dieses Gebrauchs überhaupt bedacht zu haben. „Ich“ verdeckt allzu oft die Motive Mitdenken, Mitfühlen und Mitarbeiten, da der alleinige Blick aus der Eigenperspektive den Blick auf das Ganze unnötigerweise verengt.

Ich habe für mich beschlossen, das Motiv „Ich…“ nur dann noch zu gebrauchen, wenn ich nicht umhin kann, mich zu positionieren. Das heißt aber nicht, das ich dann wie oft anzutreffen auf die „Man…“ Perspektive auszuweichen muss. Es gibt unzählige Gelegenheiten in einem Gesellschaftsleben, wo ein Sich-Positionieren gar nicht notwendig ist. Ich versuche einfach nur aufzunehmen, zu schauen, zu verstehen, was um mich herum geschieht und versuche, mich eines Urteils zu enthalten oder zumindest es nicht (sofort) auszudrücken/auszusprechen. Und auch wenn das nicht immer so vollständig geschieht, wie ich mir das wünsche, ich übe ja auch immer noch, so mache ich doch hier und da die Erfahrung, das ich seither besser fahre und im Leben leichter unterwegs bin.
Ich habe viele Menschen getroffen, die auch in Sachen Selbst-Optimierung unterwegs sind. Ich erkenne diese Maßnahmen meistens an der streng verengten Perspektive, die ein solches Vorhaben mit sich bringt. Häufig ist der Optimierungsgrund mit einer arbeitstechnischen Überforderung begründet. Man versucht, sich für das stressige Arbeitsleben, für das stressige Familienleben oder die stressigen Ansprüche in der Freizeitgestaltung zu präparieren. Das ist auch in Ordnung, aber es muss trotzdem ein Blick auf die Welt möglich sein. Meine Devise im Arbeitsleben und … war immer: Soviel wie notwendig, so wenig wie möglich, und es sollte immer ein Hintertürchen geben. Und ich denke so, weil die Welt zwar perfekt ist, die Menschen das aber nicht sind. Und die Welt ist geduldiger als die Menschen. Und ich bin einer dieser Nicht-Perfekten und Ungeduldigen. Alles weitere leitet sich davon ab und ist selbsterklärend.

  1. Eine Metapher ist ein „ sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne dass ein direkter Vergleich die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem verdeutlicht”.Wikipedia (DE). Das ist so, weil für Raum, der unendlich und zeitlos gedacht wird, kein Name vergeben werden kann. Was alles umfasst, kann von nichts unterschieden werden. Da es neben Raum aber noch andere Namen gibt, ist der Ausdruck Raum für Raum nicht zutreffend und daher auch ohne Beziehung. HpS.
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