Meditation über „nichts“, eine Momentaufnahme

Das „Nichts“ als Vorstellung?

Wenn wir von Nichts sprechen, bilden wir einen Namen für etwas, was nicht da ist oder auch gar nicht existiert. Da sein können eigentlich nur Dinge, die eine materielle Präsenz haben, das heißt, wenn ich dagegen laufe, hole ich mir eine Beule, wenn ich es fallen lasse, finde ich es auf dem Boden wieder und ich kann zu einem Menschen sagen: Sieh mal das da… und er/sie sieht es auch. Aber es gibt ja mittlerweile auch Dinge, die nicht da sein können, Dinge, die weder greifbar sind noch ohne größeren Aufwand einem anderen Menschen zugänglich gemacht werden können. „Kultur“ ist so ein Begriff, „wertvoll“ auch und das „Ziel“ ist auch so etwas. Diese nicht existierenden Dinge verweisen nur auf etwas, was da sein könnte, und sie verweisen sowohl auf Dinge als auch auf Verweise, die wiederum auf etwas verweisen und so weiter. „Nichts“ als Substantiv ist daher etwas, das der letzteren Gruppe angehört. Das Wort verweist auf die Abwesenheit von etwas, und in diesem Fall ist dieses etwas die Summe aller möglichen Dinge und aller möglichen Verweise. Verben sind auch Verweise, so zum Beispiel „gehen“. Ich verweise auf die Möglichkeit, mich von einem Ort zu einem anderen zu bewegen mit Hilfe meiner Beine. Nun ist es selbst in westlicher Logik so, das ohne Dinge und Verweise kein Denken möglich ist. Dinge werden nach Namen geordnet, Verweise ebenfalls. Nutze ich also keine Namen und verweise ich nicht, ist kein Denken möglich. Ohne Denken gibt es keinen Bezug zu Zeit, die ja auch nur ein Verweis ist. Erreiche ich also das höchste Ziel der Meditation, zeitweise ohne Denken zu sein, ist in dieser Aussage auch keine Zielvorstellung möglich, denn das Ziel ist ohne Denken ja kein Verweis mehr. Und an die Zeit „ohne zu denken“ gibt es daher auch keine Erinnerung. „Nichts“ als Ziel zu setzen ist zwar möglich, aber ich werde, selbst wenn ich das Ziel erreichen sollte, mich nicht daran erinnern können. Lediglich die Meditationsuhr kann/wird mir sagen: Also, für die zwei Gedanken, die du gedacht hast, ging die Zeit aber schnell vorüber. Aber sicher kannst du nie sein, am Ziel gewesen zu sein. Mir genügt der Begriff Raum, um meinen Gedanken und Fühlen ein Ziel zu geben. Sind die dann weg, ist ja schon nichts (mehr da). Daher brauche ich das Ziel „Nichts“ nicht anzustreben. Es kommt… mich besuchen.

Wie Bewusstsein, Ich und Körperlichkeit zusammenhängen

Nach der normativ westlich christlichen Vorstellung besteht der Mensch aus Körper, Geist und Seele, Wobei dem Körper wenig, dem Geist etwas mehr und der Seele viel Bedeutung beigemessen werden. Nun ist diese Verteilung der Wertigkeiten mittlerweile umstritten, da noch nicht einmal die Wissenschaften diesen Gedankengebäuden mehr nachhängen. Nach den neuesten Forschungen muss konstatiert werden, das sich das Bewusstsein aus der Wahrnehmung des Körpers (Gefühl), den Tätigkeiten des Geistes (Erinnerung, Erfahrung, Wissen) und der den Menschen umgebenden Welt zusammensetzt, wobei dieses Bild in Form von Plastizität ständig (Prozess) aktualisiert wird. Das heißt unter anderem, das dieses Bild niemals feststeht und der Mensch daher nicht festgelegt werden kann. Und auch mit sich selbst ist eine solche Sicherheit (Ich weiß, wer und was ich bin… und tun werde…) nicht zu erreichen. Mit anderen Worten heißt das auch, das die Aussage „Ich bin…“ sich ähnlich unscharf verhalten muss wie die Frage, „wo sich ein Elektron gerade aufhält“.

Krishnamurti geht in dieser Frage noch ein Stück weiter. Für ihn muss der Geist, bevor er sich überhaupt intelligent verhalten kann, sich erst einmal von der Tradition (Kultur), der Gewohnheit und der Misslichkeit des Vorurteils befreien, bevor wir den Reichtum der Welt verstehen und darin frei handeln können. Diese geistigen Eigenschaften bilden den Schleier der Verblendung, die das Verstehen des Lebens verhindert und zu Leiden und Verwirrung führen. Jeder wache Mensch muss die Probleme dieser Welt (Hunger, Armut, Hass, Dummheit, Grausamkeit, Ausbeutung, Angst, Verwirrung, Hoffnungslosigkeit, …) sehen, sagt er, und dieses Wissen muss ihm zu schaffen machen. Und viele werden dann sich einer Organisation (Partei, Religion, Freiheitsbewegung, NGO, …) anschließen wollen, um diese Probleme zumindest in Teilbereichen zu lösen. Aber eine Organisation legt wiederum fest und schafft so genau die gleichen Probleme, die sie zu lösen versucht, etwas variiert zwar, aber ebenso verblendet. Jeder kann nur sich selbst seiner Verblendung entledigen, keine Gruppe kann dabei helfen. Dazu bedarf es keiner Revolution, keiner Reform oder geistiger Schulung. Es ist einfach nur das Schauen in die eigenen Strukturen (Werte, Ideale, Glaubensvorstellungen), das Ergründen dieses Netzes und das Verstehen, wie es entstanden ist, was es will und wofür es vorgibt zu wirken. Die Menschen werden leiden auf diesem Pfad, werden sich allein fühlen, aber dieses Leiden wird sie wach machen, wird ihre Intelligenz wecken und sie werden verstehen, was zu tun ist, für sich und durch ihr Beispiel für andere. Das ist der Weg, den Krishnamurti vorschlägt.

Für Krishnamurti ist das „Ich“ eine Repräsentanz der Welt, die sich durch Tradition und Gewohnheit, die festlegen statt loszulassen, aufbaut und daher niemals mit „hier und jetzt“ (Wirklichkeit) übereinstimmt. Das erzeugt Angst, erzeugt Konflikte, die sich nicht lösen lassen werden, ohne den Grund, die Ursache ihres Erscheinens zu verstehen. Gefühle sind nur Gefühle, die direkt zum Handeln auffordern, sie zu interpretieren und damit auf die Erfahrung der Vergangenheit zurückzugreifen, mag hier und da im praktischen Leben sinnvoll erscheinen, aber dies kann und darf sich nicht zu einer allgemeinen Verfahrensweise auftürmen, wie sie Philosophie, Religion, Weltsicht und Politik praktizieren.

Worauf es ankommt, ist, in Konflikt mit den Traditionen… zu geraten, in der (denen) sie gefangen sind, und nicht intellektuell mit Hilfe eines Ideals auszuweichen. Wenn sie (damit) beginnen… werden Sie auch beginnen, die wahre Intelligenz zu wecken, die allein die vielen menschlichen Probleme lösen kann. Aus Vollkommene Freiheit, Spirit, S. 39

Für Krishnamurti ist Meditation die Konfiguration eines Bewusstseins, das das Denken zu kontrollieren versteht. Es ist ein anderes Bewusstsein, das eine Matrix schafft, die nicht aus Vergangenem über die Gegenwart in die Zukunft denkt, was nur zu Konflikt und Leiden führen kann, sondern das ohne Angst, Vorurteil und Werteeinordnung einfach nur schaut, was ist, und danach handelt. Und Krishnamurti betont, das es das Individuum, das wir zu sein glauben, nicht gibt. Die Menschheit ist ein Bewusstsein, an dem jeder Einzelne Anteil, Teilhabe hat.

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