Gedanken zur Meditation „Stille Gelassenheit“

Gelassenheit ist ein zusammengesetztes Wort und besteht am Anfang aus der Vorsilbe „ge“, was nicht anders bedeutet als das etwas geschehen ist, dem ich jetzt ausgeliefert bin. Beispiele dafür sind gefangen, geläutert, gebunden oder ähnliche Worte. Gelassen bedeutet somit, das ein „Lassen“ geschehen ist. Ich finde mich also in der Form eines abgeschlossenen Lassens vor. Was ich dann geschehen lassen muss, was und wie ich ausgeliefert bin, ist dabei durch das erste Wort „Stille“ bezeichnet. Ich wurde also aus einer Nicht-Stille in die Stille überführt und verharre jetzt willenlos und ausgeliefert in dieser Stille. Das in Wikipedia dazu gemengte „Sein“ in verschiedensten Formen kommt weder in Gelassen noch in der substantivierten Form Gelassenheit vor und verfälscht das Verb, da das europäische Sein ja einen Grund, eine Ursache oder ein Transzendentes wie Gott (Gottergebenheit) voraussetzt. Auch hat die Sonne wie in Besonnenheit nichts mit meiner Definition zu tun, da die Sonne oder das Sonnen für den Menschen ja ebenfalls ein der Sonne ausgesetzt sein bedeutet. Die Sonne scheint mit oder ohne unser Zutun: Sie scheint einfach. Auch behält im Lassen nichts die Oberhand, schon gar nicht der Verstand. Wie kommt man auf eine solche Idee? Und was bitte sehr hat das mit Emotionalität zu tun. Emotion ist ein Gefühl, eine Sinnesäußerung, das in seiner Wahrnehmung eine körperliche Anpassung an etwas vornimmt. Und was um alles in der Welt hat die Ratio, also das Zurückgreifen auf Wissen mit Stille oder Lassen zu tun? Was ich also mit Gelassenheit und Stille meine hat nichts von dem in Wikipedia gemeinten Zusammenhang zu tun. Stille heißt in seiner Vollendung: Kein Gedanke, keine vorlaute Sinneswahrnehmung. Lassen heißt, im Tun des Sitzens gibt es weder Ziel noch Willen. Um das ganze abzurunden, betrachte ich Gelassenheit in Stille als ein Tun ohne Wissensvorgabe, ohne Konzeptvorgabe, ohne irgendeine Absicht, ohne eine Vorstellung, ohne eine Zielvorstellung, ohne Profit, ohne Ernte oder ein sonstiges Rezept, um etwas zu erreichen. In der chinesischen Sprache und Kultur, aus der dieser Begriff abgeleitet bzw. übersetzt wurde, gibt es kein Sein, keine Kausalität und keine Vorgaben zu einem Schöpfer. Das chinesische Denken findet einen Prozess vor, in dem der Mensch sich befindet und der sich vollzieht. Der Mensch kann lediglich durch Regulierung in diesen Prozess eingreifen, ist aber dabei angehalten, das Wesen dieses Prozesses nicht zu kippen. Er soll mit dem „Himmel“ (…der Natur…. ?) gehen, sich mit der Kraft des Tao (Sowohl „Der Lauf der Dinge“ als auch „Die Art des Vorgehens“, sowohl der Himmel als auch das Menschsein, Yin und Yang), verbinden und die Natur des Geschehens nicht maßgebend beeinflussen. Er reguliert nur hier und da die verändernde Bewegung, die von selbst erfolgt. Er kann also lediglich durch kleine Veränderungen in der Neigung die Richtung des Geschehens verändern, nicht aber den Prozess stoppen oder gar umkehren, wie das in Europa gerne angenommen und beabsichtigt wird. Die von mir gemeinte Gelassenheit trägt also mehr die chinesische Bedeutung als die europäische. Und Stille ist die Abwesenheit von Sinneseindrücken, Denken und Wahrnehmungen, also aller sechs Sinne wie im indischen (yogischen) Kulturgefüge üblich. Wo weder Denken noch Wahrnehmungen sind, verschwindet die lineare Zeit, denn sie ist auf dem Denken aufgebaut. Was bleibt ist Dauer.

Was ich also in der Meditation erfahre ist eine Wahrnehmung des Prozesses des Lebens in Form eines Andauerns, wobei alle Sinne einschließlich des Denkens (in Indien: Der 6. Sinn, citta) so etwa wie in einem Hintergrundrauschen verschwimmen. Sie sind da, werden aber mit ihrem Inhalt nicht wirklich angenommen, werden nicht reflektiert und ihnen wird kein Vorzug, keine dominante Rolle zuerkannt. Die Sinne sind da wie ein Baum im Wald, eine Blume auf der Wiese oder ein Stern am Himmel. Und so kehrt Ruhe (Stille) ein im menschlich Da-Sein, zumindest in der eingegrenzten Meditationszeit und der Dauer des Gelingens, und seien das wie so oft auch nur 10 Sekunden. Und diese Ruhe/Stille ist für den Menschen wie ein erfrischendes Bad an einem heißen Tag, ist wie ein anregendes Gespräch nach einer Zeit der Abgeschiedenheit. Der Mensch blüht auf in einer inneren Kraft, die Normalität war im Leben vor der Entwicklung der Reflexion, die Normalität war in der Zeit der vollständigen Einbettung in die natürlich ablaufenden Prozesse. Jeder Gedanke ist da erlaubt, jede Wahrnehmung ist angenommen, jede Erscheinung gehört zum Lebendig-Sein wie selbstverständlich dazu. Und da ist nichts gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, verboten oder erlaubt, überhaupt: Da haben Gegensätze keinerlei Bedeutung.

Was ich von der Meditation erfahren habe, und da ist bei mir keinesfalls irgendetwas dabei, was Erleuchtung genannt werden könnte, ist die angenehme Wahrnehmung, das alles nur da ist. Kein „Das ist erlaubt“, kein „Du-Sollst“, kein „So muss es sein“, keine Anforderung irgendeiner Art wie von/zu/nach…, einfach nur eine Weile lang still Sitzen bleiben und alles so lassen wie es ist. Nach den Monaten und Jahren dieser Praxis kann ich sagen, das die Meditation meine Sicht auf die Welt verändert hat, ja das sich die Welt in meiner Wahrnehmung zum Angenehmen, und mehr zu etwas Angenommenen verändert hat. Selbst die europäische Form der „Gelassenheit“, wie Wikipedia sie beschreibt, gelingt mir heute besser als je zuvor. Allein dafür hat sich das tägliche Sitzen über Jahre hinweg mehr als gelohnt.

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