Der weite Weg… und sein Fazit
Nun sind wir, ich im Schreiben, Sie im Lesen, schon einen sehr weiten Weg gegangen, und wir müssen feststellen, das wir noch nicht allzu weit fortgeschritten sind. Große Probleme bereiten die vielfachen Setzungen unserer europäischen Kultur und die Schwierigkeiten der Sprache, mit Vieldeutigkeiten umzugehen. Auch unsere Wissenschaften bestehen und begründen sich auf den Setzungen, die zum Teil schon 2500 Jahre alt sind. Ich sehe zur Zeit in unserem Umfeld keinen gelungenen Versuch, den Sucher nach persönlicher Freiheit so zu beraten, das die Selbstbestimmtheit, die Freiheit ja fordert und begründet, gegeben wäre. Der Glaube daran, Kausalität, Widerspruchsfreiheit und Beweisbarkeit seien unverzichtbar, scheinen mir dabei das größte Hindernis zu sein. Ich möchte dem Sucher daher einen anderen Gedankenweg vorschlagen, der an der östlichen Weisheitslehre des Taoismus angelehnt ist und der zwar nicht alle Fragen beantwortet, aber auch keine Fragen ausgrenzt und der weitestgehend ohne Setzungen auskommt.
Tao: Freiheit an sich kann nicht begrenzt werden
Grundlage dieses Versuchs ist die Einsicht, das das, was frei sein soll, nicht begrenzt werden kann, weder durch Worte noch durch Taten. Auch nach einer Ursache zu suchen für eine Wahrnehmung ist bereits eine Begrenzung, denn der Fragelauf, der sich auf die Frage nach Ursachen öffnet, ist unendlich und kann nur durch Setzungen begrenzt werden. Tatsächlich oder besser gesagt wirklich ist für den Suchenden nur, das er jetzt und gerade hier sich und eine Welt vorfindet. Er kann sich und seine Welt nicht aus einer abgehobenen oder ausgelagerten Perspektive betrachten. So sind wir auf dieser Welt erschienen, so wirken und wandeln wir in dieser und so werden wir auch vergehen. Für den Taoisten zum Beispiel ist das der Weg, das Tao 1 Wir finden keine Betriebsanleitung vor, wie die betretene Welt funktioniert, wohin der Weg führt und wir bekommen keine Erklärung, wofür das alles gut sein soll. Das Portfolio, aus dem wir schöpfen können, ist somit leer. Kein Woher, kein Wohin, kein Warum ist vorgegeben. Wir haben die Freiheit, unser Leben, nachdem wir es wahrgenommen haben, jetzt zu beenden oder es, wie ich es gerade wünsche, weitere Jahre fortzuführen. Und ganz gleich wie ich mich entscheide, der gewählte Weg birgt Konsequenzen (Karma), mit denen ich für mich selbst Frieden zu schließen habe. Einfach nur zu erdulden, was kommt, ist keine Alternative 2. Es gibt nämlich keine andere Wahl als immerzu zu wählen. Diese Beobachtung ist die Grundlage meines Denkens. Ich halte das für beweis- und nachvollziehbar. Alles was bereits darauf aufbaut oder noch aufbauen kann, fließt ein in die Thematik der persönlichen Freiheit, wie ich sie verstehe. Sie enthält immer eine Wahlmöglichkeit, fordert immer eine Entscheidung und ist in der Fragestellung immer offen nach allen Seiten.
- Wobei das Tao keine Substantiv im herkömmlichen Sinne, kein Name, sondern einfach der Notwendig geschuldet ist, etwas zu benennen, um über es zu kommunizieren zu können. Der Buddhismus nennt dies Leere oder Leerheit, weil es dem Fragenden stets entgleitet. ↩
- Daher missbillige ich den Begriff der Toleranz, wie ich ihn heute oft vorfinde. ↩